Predigt von Landesbischöfin Ilse Junkermann am 2. Januar 2011

Predigt von Landesbischöfin Ilse Junkermann am 2. Januar 2011
(02.01.2011) — Landesbischöfin Ilse Junkermann
zum Start der Kampagne "Klimawandel-Lebenswandel" der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) im Hauptbahnhof von Halle (Saale)

Liebe Gemeinde,
haben Sie für das Jahr 2011 gute Vorsätze gefasst? Oder lassen Sie das sein, weil Sie wissen, das hält eh nicht lange?
Wir wollen heute mit Ihnen gute Vorsätze fassen. Wir wollen heute einen großen Schritt wagen! Wir wagen heute den großen Schritt, wir setzen darauf: Veränderung ist möglich. Wir setzen darauf, dass Menschen ihren Lebenswandel ändern können. Dass wir unseren Lebenswandel so ändern können, dass wir den Klimawandel stoppen können.

Wir wagen den großen Schritt. Wir sagen nicht mehr weiter: die andern sollen was tun. Die Politiker sollen sich endlich einigen. Die Wissenschaftler sollen endlich was erfinden. Die Wirtschaft soll endlich die Umkehr einleiten. Mein Nachbar soll mit dem Laubsaugen (Rasenmähen) aufhören.
Wir wagen den großen Schritt und sagen: wir. Wir sind verantwortlich. Wir sind beteiligt. Wir können etwas tun. Wir wollen etwas tun. Wir wollen unsern Lebenswandel so ändern, dass wir den Klimawandel stoppen können.

O je - mögen Sie jetzt denken! Was können einzelne schon erreichen? Geht das nicht unter im großen Meer der Verschwendung?
Ja, das haben wir uns auch gesagt. Deshalb wagen wir heute den Schritt gemeinsam. Als ganze Kirche wollen wir unsere vielen kleinen Beiträge zusammenlegen zu einem großen. Wir wollen uns und anderen zeigen: es geht. Wir können zu einem anderen Lebenswandel kommen.
Wir wagen den Schritt und wollen für gute Nachrichten sorgen. Die Katastrophenmeldungen sollen Meldungen an die Seite bekommen von gelingender Umkehr - hin zu einem anderen Lebenswandel.

Warum tun wir das? Wir tun das, weil wir zeigen wollen, was wir glauben. Wir wollen zeigen, dass wir an Gott glauben und dass wir an die Menschen glauben.
Das ist eine Antwort - die beiden Glaubenssätze gehören ganz eng zusammen. Wenn wir sie zusammen nehmen, ziehen sie uns in einen anderen Lebenswandel hinein.

Ich will die beiden Glaubenssätze mit Ihnen ansehen.
Als erstes:
Ja, wir glauben an Gott, den Schöpfer. Jeden Sonntag bekennen wir dies mit dem Glaubensbekenntnis.
Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Wunderbar ist das Leben entstanden ... wunderbar hat die Evolution Pflanzen, Tiere und Menschen weiter verändert - wie wunderbar muss der sein, der all das - langsam über Jahrmillionen - in Bewegung gebracht hat. Es muss einen Schöpfer geben, einen wundersamen Fahrplan.
Schauen Sie nur einmal, wenn die Blätter wieder sprießen, zehn vom gleichen Baum an: sie sind alle verschieden - verschwenderisch hat Gott die Schöpfung gemacht, bis heute. Zum Wundern und Staunen.

Das sagen viele Wissenschaftler, die bis heute die Geheimnisse der Natur zu lüften versuchen.
Noch wissen wir nicht, wie genau die Wale singen und warum - und beinahe sind sie schon ausgestorben. Noch ahnen wir kaum, was alles da unten tief im Meer lebt - und schon ist es bedroht. Die ganze Schöpfung ist bedroht - wir wissen es: Ölpest, Stürme, Wüsten, Waldbrände, die Bedrohung hat viele Gesichter. Auch die Menschen, besonders die Ärmsten leiden und stöhnen unter unserer Ausbeutung der Natur.
Die Menschen haben im letzten Jahrhundert in die Schöpfung eingegriffen - so tief und rasant wie nie zuvor.
Die Folgen sind deutlich absehbar. Schon jetzt leiden Millionen Menschen an den Folgen des Klimawandels. Schon jetzt sterben Millionen Menschen im Süden der Erde durch unseren Lebenswandel im Norden. Und der Klimawandel wird das alles noch schlimmer machen.

"Ich glaube an den Schöpfer." Erst langsam begreifen wir, welche Folgen das hat. Sein Auftrag an uns "Beherrschen - bebauen - bewahren" - das heißt: seine Schöpfung erhalten. Die Potentiale, die in ihr liegen, heben - und dabei darauf achten, dass alle leben können. Herrschaft also nicht als Raubbau und Ausbeutung, Herrschalt vielmehr als sorgsam behüten - auf Ausgleich achten - auf das Wohl aller Geschöpfe sehen. Wie Gott selbst - so sollen seine Ebenbilder herrschen.

Er glaubt an die Menschen. Der diese Welt geschaffen hat, der will sie auch erhalten. Was Menschen alles an sich und der ganzen Schöpfung zerstören können - das will er dennoch erhalten. Er bahnt uns Menschen einen Weg - aus Tod, Zerstörung und Ausbeutung hin zu einem Leben, in dem alle in Fülle leben können. Er wird die Welt neu schaffen - und beginnt dies mit den Menschen. Er beginnt dies mit dem einen Menschen Jesus, dem Kind in der Krippe und dem Mann am Kreuz.

An die Menschen glauben, das können wir (als Christen) nur, weil wir mit Gott an die Menschen glauben. Und das, so unglaublich es klingt, das tut er. Wir kommen von Weihnachten her. Mit dem Kind in der Krippe sagt uns Gott: Ja, ich glaube an Euch Menschen! Ich glaube an Euch, auch wenn ich viel mehr Grund habe, an Euch zu verzweifeln. Auch wenn Ihr meine gute Schöpfung stört und zerstört - ich schaffe sie neu. In diesem Einen Menschen liegt der Beginn einer neuen Schöpfung.
Jesus bewegt Menschen, zu leben wie es dem Schöpfer gefällt. Er ruft zur Umkehr, zur Wende, zu einem neuen Lebenswandel. Ihr könnt euch wandeln. Ihr seid das Licht der Welt... Ihr seid ein Signal für die Welt.
So glaubt Gott an die Menschen. Und so glauben wir mit Gott an die Menschen.

Ja, ich glaube an die Gemeinschaft ("Gemeinschaft der Heiligen"), an das "Miteinander". Ich glaube an die Kraft des Schöpfers, die in allen Menschen steckt. Der Geist bewegt uns, sagen wir Christen. Bewegt uns, die Erde weiter zu ver/wandeln. Mit dem Heiligen Geist, dem langen Atem Gottes.
Und deshalb wagen wir heute den großen Schritt und setzen darauf: Veränderung ist möglich. Ich kann meinen Lebensstil ändern. Sie können Ihren Lebensstil ändern Wir können miteinander entdecken, was wir mehr haben, wenn wir mit weniger auskommen. Wir können den Reichtum der Schöpfung auch so genießen, dass alle genug haben. Wenn ich nur einmal in der Woche kein Fleisch esse, also weniger, dann erhalte ich mehr Gesundheit - und es ist auch mehr zum Leben für die Menschen, die hungern - weil sie das Getreide essen können und es nicht an Vieh zur Fleischproduktion verfüttert wird.

Mehr - oder weniger - Ich kann meinen Lebenswandel leichter ändern - wenn ich weiß, wie.

Im Gutscheinheft unserer Kampagne sind viele kleine Ideen, wie jeder allein und wie wir gemeinsam Großes bewegen können.
Konkret: Wie will ich leben? Was brauche ich? Mehr oder weniger?
Mehr Zeit zum Leben, das wünschen sich viele. Gott schenkt sie mir.
Weniger arbeiten, haben, hetzen - und dafür mehr leben, langsamer, lustvoller. Versuchen wir´s.
Entschleunigen, anders mobil werden: weniger Fliegen, mehr Zugfahren, in Freizeit "Mobil ohne Auto"- per Fahrrad, zu Fuß oder einfach weniger unterwegs sein. Zu Hause sein. Durchatmen.
Das heißt zu Atem kommen - auch für die Erde. Lebenswandel - Klimawandel - das hängt eng zusammen.
Was sich alles einsparen lässt an Klimagasen, das lässt sich ausrechnen im Gutscheinheft. Was spare ich ein pro Flug-, pro Autokilometer, aber auch bei vielen anderen Dingen, die ich einfach mal lassen kann....
Uff. Jeder kann sich Puste sparen und damit auch der Erde - Puste sparen - zum Durchatmen.
Werden wir es schaffen, miteinander eine Million kg Co2 zu sparen?

Ich glaube an den Schöpfer - der uns wunderbar geschaffen hat und uns Großartiges schaffen lässt. Und mit Gott glaube ich an die Menschen, bewegt vom Geist Christi, mit einem Herzen, das sich an der Schöpfung freut, mit einem Sinn, der brennt für Gerechtigkeit und Frieden.

"Ist der Zug schon abgefahren? Oder ist es höchste Eisenbahn?" Gilt beides.
Mancher Zug ist schon weg, aber es kommt ein neuer.
Heute hält hier einer, in den können Sie einsteigen. In dem werden Sie viele andere mit dem gleichen Mut finden; in dem können wir uns gegenseitig in unseren gute Vorsätzen bestärken.
Ich setze auf Sie: für einen anderen Lebenswandel.
Steigen Sie mit ein. Heute in Halle.

Die Gemeinschaft des Heiligen Geistes schließe uns zusammen und stärke uns - im tätigen Glauben an den Schöpfer und seine Schöpfung. Amen.