Ich wollt’, ich wär' ein Huhn...

Huhn; Foto: Thegreenj... ich hätt’ nicht viel zu tun, ich legte vormittags ein Ei und abends wär’ ich frei. Das war 1936. Die Hühner von damals hätten heute wohl wenig Freude. Auf 800 cm² wäre dazu kaum Platz - etwa 1 A4-Blatt und eine Postkarte. Auch der Ausblick zum Hühnerhimmel kann nicht trösten: Fenster sind erst seit 2002 in neugebauten Ställen vorgeschrieben. Und statt Getreide und Würmchen zu picken wird ihnen Altöl vorgesetzt.

Nach 12 bis 15 Monaten Massentierhaltung werden sie als Suppenhuhn für 1,99 in der Tiefkühltruhe verramscht. Oder sie landen gleich in der Tierkörperverwertung. Ein freudloses Leben und ein trostloser Tod.

Seit die Comedian Harmonists die glücklichen Hühner besungen haben, sind nicht nur die Hühnerställe immer größer geworden. "Industriemäßige Produktionsmethoden in der Landwirtschaft" hielten in der DDR wie im Westen ein und galten als Zeichen des Fortschritts. Derweilen haben wir vergessen, dass jedes Stück Fleisch, das auf unserem Teller landet, einmal zu einem lebenden Wesen gehört hat, das Hunger, Durst und Schmerz genauso spürt wie wir selbst.

Ihre Lebensumstände rücken nur dann in den Blick, wenn es wieder einmal einen Skandal gibt: Dioxin im Hühnerfutter, Rinderwahnsinn, Hormone im Schweinefleisch. Wenn der Skandal unsere eigene Gesundheit betrifft, bricht der "Verbrauch" ein. Nach ein paar Wochen wird wieder die "Beruhigung des Kaufverhaltens" vermeldet. Sind Tiere Verbrauchsgegenstände? Jedes Billig-Hühnchen, das wir kaufen, kurbelt die Nachfrage an. Erst wenn Tierfabriken sich nicht mehr lohnen, werden sich die Haltungsbedingungen verändern.

Gott hat nicht nur die Menschen geschaffen. Wir teilen uns die Erde mit unzähligen Mitgeschöpfen, Tieren und Pflanzen, Bakterien und Mikroben, belebter und unbelebter Natur. Wir teilen sie mit allen, die vor uns gelebt haben und die nach uns kommen.

Die Schöpfung seufzt und stöhnt, sagt Paulus im Römerbrief. Wie wahr. Das traurige Dasein, das unzählige Nutztiere fristen, wirft ein Licht auf uns selbst, wenn wir so mit Tieren umgehen. Wir beschädigen nicht nur die Würde der Schöpfung, sondern auch unsere eigene. Es ist ein christliches Anliegen, wenn wir unsere Gewohnheiten überdenken. Was brauchen wir wirklich? Wie und wo kaufen wir ein? Wirklich frei sein werden wir nicht auf Kosten und zulasten der Natur, sondern nur mit ihr.

Auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. (Römer 8,21, Monatsspruch für Februar 2011).

Pfarrerin Margot Runge, Sangerhausen